Unter der Überschrift „Nichts ist so beständig wie der Wandel!“ hat die TelefonSeelsorge Saar am 27. April 2022 ihren sehr lesenswerten Jahresbericht 2021 vorgestellt.
Hier ein Ausschnitt aus der Langfassung, die auch unter www.telefonseelorge-saar.de abrufbar ist:
„Im Jahr 2001 wurde die TelefonSeelsorge Saar 23.000 Mal angerufen, eine beeindruckende Zahl. Im Jahr 2021 waren dies 13.200 Anrufe. Sind wir also weniger gefragt oder gar weniger wichtig für die Menschen im Saarland gewesen? Diese Zahlen relativieren sich, wenn man weiß, dass 54 % der Anrufe nur 1 Minute dauerten. Die Durchschnittsdauer der Gespräche lag bei 9 Minuten. Wie das? Zu diesem Zeitpunkt rollte die Handywelle über Deutschland, was der TelefonSeelsorge viele Scherz- und Testanrufe aus dem ganzen Bundesgebiet bescherte. Viele Jugendliche waren dabei, sich auszuprobieren und mit Themen rund um Sexualität und Partnerschaft den Kontakt zu Erwachsenen zu suchen. Das ging anonym und kostenlos bei der TelefonSeelsorge sehr gut. Diese Gespräche sind heute kaum noch am Telefon zu finden. Ausprobieren und Provozieren haben sich längst auf andere Bereiche, z.B. Soziale Netzwerke verlagert. In der TelefonSeelsorge finden wir die Jüngeren eher in der Onlineberatung. Allerdings scheinen im letzten Jahr wieder etwas mehr Menschen unter 30 Jahren den Kontakt am Telefon gesucht zu haben. Es gibt einen leichten Zuwachs auf 8,3 % der Anrufenden aus dieser Altersgruppe. Eventuell hat Corona den Wunsch nach einer menschlichen Stimme auch in diesem Alter erhöht.“
Waren es vor 20 Jahren vor allem Beziehungsthemen, wie Familienprobleme oder Paarprobleme, so sind es in den letzten Jahren vor allem Einsamkeit, Ängste und depressive Stimmung die am häufigsten genannt werden.
Dazu passt, dass sich immer mehr Menschen, fast jede zehnte Anrufer:in, aus Einrichtungen wie Pflegeheimen, der Forensik oder Jugendwohngruppen melden, meistens ist Einsamkeit der Hintergrund. „Dort werden die körperlichen Bedürfnisse der Bewohner:innen versorgt, aber es scheint weniger Möglichkeiten zum zwischenmenschlichen Kontakt und Austausch zu geben“, so Diplom-Psychologin Friederike Walla. Sie vermutet, dass der Anteil dieser Ratsuchenden künftig weiter zunehmen wird.
Der Anteil der Anrufenden, die Probleme mit einer psychischen Erkrankung vorweisen, stieg auf 43 Prozent. Vor 20 Jahren lag er noch unter 5 Prozent. „Psychische Erkrankungen werden heute offener benannt, die Menschen suchen aktiv nach Hilfe“, erklärt Walla die gewachsenen Zahlen.
Mehr Männer haben in den letzten Jahren die Unterstützung der Evangelisch-Katholischen TelefonSeelsorge Saar gesucht. Inzwischen nähert sich das Geschlechterverhältnis am Telefon immer mehr an, während es vor 20 Jahren zu ¾ Frauen waren, die das Gespräch suchten. Das Rollenbild in unserer Gesellschaft hat sich verändert, dadurch sind auch für Männer Probleme eher ansprechbar“, vermutet Heidrun Mohren-Dörrenbächer, die katholische Leiterin der TelefonSeelsorge Saar, als Hintergrund. Aus ihrer Sicht eine erfreuliche Entwicklung, denn dadurch sei auch eine frühere Begleitung und Unterstützung möglich.
Deutliche Unterschiede gibt es bei den Kommunikationsformen: Wer einsam ist, greift eher zum Telefonhörer oder Handy. Das häufigste Thema bei Mailanfragen sind depressive Verstimmungen. Beim Chat stehen Ängste an erster Stelle. Mail und Chat werden vor allem von den unter 30-jährigen genutzt (60 % der Ratsuchenden)
„Wer allein ist, wünscht sich von Zeit zu Zeit eine menschliche Stimme zu hören“, sagt Mohren-Dörrenbächer. Gerade die Corona-Pandemie mit Kontaktbeschränkungen scheint diesen Wunsch verstärkt zu haben.